Ist ein Bewerbungsanschreiben noch zeitgemäß?

Jessica Jasper, 18.03.2024

Lebenslauf, Anschreiben, Zeugnisse, Referenzen – die klassischen Bewerbungsunterlagen, die Unternehmen von ihren Bewerbern sehen wollen. Aber sind das wirklich die Daten, die für das Kennenlernen von Kandidaten ausschlaggebend sind? Immer mehr Unternehmen setzen auf andere Kriterien und verzichten beispielsweise auf Bewerbungsanschreiben. Sind Anschreiben eine gute Möglichkeit, sich einen ersten Eindruck zu verschaffen oder doch eher beiderseitige Zeitverschwendung?

Was beinhaltet ein Bewerbungsanschreiben?

Ein Anschreiben gehört schon seit langem zu einer Bewerbung dazu und soll dem potenziellen Arbeitgeber einen ersten Eindruck über den Bewerber, seine Fähigkeiten, Erfahrungen und Motivation geben. Nach einer kurzen Vorstellung, inklusive relevanter persönlicher Informationen und aktueller Position, sollte betont werden, wieso man sich bei dem spezifischen Unternehmen und für die ausgeschriebene Position bewirbt. Durch eine Darstellung der bisherigen relevanten Berufserfahrungen und weiteren Fähigkeiten, kann die Eignung für die Stelle unterstrichen werden. Arbeitgeber haben so die Möglichkeit einen ersten Überblick und eine Zusammenfassung der wichtigsten Qualifikationen eines Kandidaten zu erhalten.

 

Entwicklung und Digitalisierung des Arbeitsmarktes

In den letzten Jahren haben sich, vor allem durch die zunehmende Digitalisierung, auch Bewerbungsprozesse verändert. Die meisten Bewerbungen laufen online über Karriereseiten der Unternehmen oder spezialisierte Plattformen, über die man sich mit nur wenigen Klicks auf verschiedenen Vakanzen bewerben kann. Schnelle und effiziente Prozesse sind gefragt. Hierbei wird sich häufig auf den Lebenslauf einer Person konzentriert und Bewerbungsanschreiben sind nicht mehr gefragt. Außerdem verschaffen sich Arbeitnehmer häufig über LinkedIn Profile oder Online-Portfolios einen zusätzlichen Eindruck von Bewerbern. Der Fokus liegt jedoch auch immer mehr auf den Soft Skills der infrage kommenden Kandidaten. Könnte hier vielleicht doch ein Anschreiben einen persönlicheren Einblick geben?

Nachfolgend haben wir jeweils 3 Gründe, die für oder gegen das Bewerbungsanschreiben sprechen, näher unter die Lupe genommen.

 

Bewerbungsanschreiben? Das ist Zeitverschwendung.

 

Standardisierung und Unpersönlichkeit

Ein Anschreiben sollte mehr über die Persönlichkeit eines Bewerbers aussagen und die spezifische Motivation für die Bewerbung zum Ausdruck bringen. Häufig bestehen Anschreiben jedoch aus den gleichen Floskeln und werden für jede Bewerbung nur minimal verändert. Solche vagen Formulierungen führen dazu, dass das Anschreiben eigentlich gar nichts weiter über einen Bewerber aussagt und alle Bewerbungen zu einer unpersönlichen standardisierten Masse werden.

Digitalisierung und automatisierte Bewerbungsprozesse

Der Trend geht immer weiter zu neuen Bewerbungsformaten und digitalisierten Prozessen. Oft suchen Bewerbermanagement Systeme nach Stichworten in Lebensläufen und treffen so schon eine Vorauswahl. Um sich einen ersten persönlichen Eindruck vom Bewerber zu verschaffen, sind keine Aufwendigen Vor-Ort-Gespräche mehr nötig. Erste kurze Interviews werden meist per Video-Call durchgeführt, der sich beiderseits sehr flexibel und simpel einrichten lässt und einen besseren Eindruck verschafft als ein Anschreiben.

Aufwand und Nutzen

In ein gutes Anschreiben, das sich aus der Masse abhebt und wirklich mehr über einen Bewerber aussagt als der Lebenslauf, muss viel Zeit investiert werden. Da Anschreiben häufig gar nicht zwingend erforderlich sind, werden diese oft aus der Bewertung herausgenommen oder nur überflogen. Die Kernkompetenzen des Bewerbers lassen sich aus dem Lebenslauf ableiten, sodass gut abgewogen werden sollte, ob sich der Aufwand eines zusätzlichen Anschreibens wirklich lohnt.

 

Bewerbungsanschreiben bieten Kandidaten und Personalern einen Mehrwert

 

Hervorheben spezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten

Während der Lebenslauf einen Überblick über alle beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten gibt, kann sich im Anschreiben auf die wirklich positionsrelevanten Informationen bezogen werden. Welche Erfahrungen helfen einem im neuen Job weiter? Wie können bestimmte Eigenschaften eingebracht werden? Das Anschreiben kann weitere wichtige Details geben, die auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind.

Motivation und Soft Skills

Unter einer Vielzahl von Bewerbern kann sich durch ein Anschreiben zeigen, wer Interesse am Unternehmen und der Position hat und wer sich „einfach mal“ beworben hat. Darüber hinaus kann sich am Stil des Anschreibens die Persönlichkeit eines Bewerbers zeigen und weitere Soft Skills können in den Vordergrund gerückt werden. Beispiele aus dem bisherigen Werdegang unterstreichen Fähigkeiten wie Teamwork, Flexibilität und Lernbereitschaft.

Gesamtbild und tieferes Verständnis

In Verbindung mit anderen Bewerbungsunterlagen hilft ein Bewerbungsschreiben einen rundum Eindruck zu geben und einen besseren Eindruck auf der Ebene des Personal Fit zu vermitteln. Zusätzlich können vorherige Arbeitgeberwechsel und die aktuelle Wechselmotivation erklärt werden, was wiederum auch widerspiegelt, in welche Richtung sich ein Bewerber entwickeln möchte und welche Punkte eine zentrale Rolle dabei spielen.

 

Die wichtigsten Punkte im Überblick

Letztendlich lässt sich sagen, dass die Sinnhaftigkeit eines Bewerbungsschreibens von vielen verschiedenen Faktoren abhängig ist. Je nach Branche, spezifischer Position oder Unternehmenskultur können Bewerbungsschreiben einen Mehrwert bieten oder als überflüssig angesehen werden. Während vor allem in kreativen Berufen oder auch Führungspositionen ein Bewerbungsanschreiben einen guten Einblick in die spezifische Expertise und vor allem Soft Skills geben kann, werden in technischen Berufen der Fokus vielleicht eher auf vorherigen beruflichen Erfahrungen gelegt, die aus dem Lebenslauf ersichtlich werden.

Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber sollten abwägen, ob ein Anschreiben hilfreich ist und es nicht anfordern, wenn es am Ende nur grob gescannt wird.

Als Bewerber kann man sich durch ein Anschreiben, auch wenn dieses nicht gefordert wird, von anderen abheben. Ist es also vielleicht doch sinnvoll, trotz Digitalisierung und verkürzter Prozesse, das Anschreiben anzufügen?

Unser nächster Blogbeitrag wird auf weitere Möglichkeiten eingehen, die man als Bewerber hat, um sich zu differenzieren und Ghosting durch potenzielle Arbeitgeber entgegenzuwirken.